Andreas Lipkow, Marktexperte und Moderator des comdirect Markt-Updates, lächelt in die Kamera.

2024 ein Jahr der Entscheidungen –
Geprägt von Hoffnungen
und Zuversicht

Viele politische Wahlen in Europa und den USA. Hoffnung auf konjunkturelle Aufhellung in Europa. Die US-Wirtschaft zeigt sich weiter stabil.

Das Börsenjahr 2024 hat relativ holprig angefangen und die altbekannten Probleme aus dem vergangenen Jahr in einem kurzen Zeitraffer zusammengefasst.

Es bleibt weiterhin unklar, wann sich die Konjunktur in China und damit auch in Europa nachhaltig aufhellen wird. Dagegen zeigt sich die Konjunktur in den USA als robust mit einem starken Arbeitsmarkt.

Die wirtschaftlichen Entwicklungen könnten unterschiedlicher nicht sein und so bleiben zum Jahresstart auch die alten Aktienfavoriten zugleich die neuen. Die großen US-Technologieunternehmen dominieren das Handelsgeschehen an den Finanzmärkten in den USA. Zinshoffnungen und die KI-Entwicklung könnten somit wesentliche Kurstreiber werden.

In China hat am 22. Januar das Neujahrsfest im Zeichen des „Holz-Drachen“ begonnen und nach dem dortigen Glauben gilt der Drache als das mächtigste Tierkreiszeichen. Es stellt das neue Jahr unter folgende Attribute: Energie, Kraft und Glück. Das Element Holz gilt als Symbol für Aufbruch, Wachstum und Erkenntnis. Das könnte insbesondere bei einigen politischen Ausrichtungen Chinas eine zusätzliche Dynamik bewirken.

Die internationale Fragmentierung hatte sich im vergangenen Jahr zunehmend beschleunigt und eine komplizierte und schwierig einzuschätzende geopolitische Landschaft erschaffen. Der Krieg in der Ukraine und die Auseinandersetzung zwischen Israel und den Palästinensern sind nur zwei Beispiele dafür. Die jüngsten Störungen der Schifffahrt im Roten Meer sind ein Beispiel dafür, wie Krisenherde Lieferketten beeinträchtigen und die Produktionskosten erneut in die Höhe treiben können. Mögliche Folgen auf Preissteigerungen in Europa und den USA werden dabei von Investorenseite genau beobachtet.

Insbesondere die geld- und zinspolitischen Reaktionen der Notenbanken in Europa, den USA und Japan werden das Finanzmarktgeschehen in der ersten Jahreshälfte weiter maßgeblich beeinflussen. Die Notenbanker werden nicht müde, die von der Niedrigzinsphase verwöhnten Marktteilnehmer immer wieder auf das „Higher for longer“1 Zinsszenario einzustimmen. Dabei wird das festgelegte Inflationsziel von 2 Prozent betont.

Die derzeitigen Aktienkurse spiegeln bereits viel Zuversicht und Konjunkturoptimismus wider

In den derzeitigen Aktienkursen wurde bereits viel Zuversicht und Konjunkturoptimismus vorweggenommen. Die Technologiebörse Nasdaq, der marktbreite S&P 500 und der DAX 40 markierten in den letzten Handelswochen teilweise neue Rekordhochs. Insbesondere die Hoffnungen auf niedrigere Zinsen in den USA und in Europa haben zu steigenden Kursen bei den Technologieunternehmen geführt. Dabei schoben die Aktien von Microsoft, Alphabet, Apple, Amazon, Meta Platform, Nvidia und AMD die Aktienindizes in den USA auf Rekordkursniveaus. Eine weiche Landung der amerikanischen Wirtschaft würde die Inflationsbefürchtungen bei den Investoren entsprechend abmildern.

Sollte sich jedoch im Laufe des Jahres erneut das Risiko einer hartnäckigeren Inflation aufzeigen, kann sich das Sentiment2 an den Börsen schnell ändern und zu größeren Kursverlusten führen. Dabei würden insbesondere die Aktien der großen US-Technologieunternehmen stärker betroffen sein.

Aktienselektion bleibt Gebot der des Jahres

Die westlichen Industrieländer schätzen den japanische Aktienmarkt weiterhin als attraktive Analgechance ein. Die Fortführung aktionärsfreundlicher Reformen japanischer Unternehmen können im Börsenjahr 2024 für attraktive Bewertungen und ein solides Gewinnwachstum sorgen.

Ab der zweiten Jahreshälfte könnten auch die Aktienmärkte in Europa überproportional stark von einer potentiellen Konjunkturerholung in China profitieren. Grund dafür könnte eine stabile US-Konjunktur und dadurch anziehenden Umsatz- und Gewinndynamiken bei europäischen Unternehmen sein.

In den USA werden die angesetzten US-Präsidentschaftswahlen eine wesentliche Rolle spielen. Privater Konsum aufgrund steigender Realeinkommen könnte sich als wichtige Stütze zeigen. Aber auch eine Konjunkturverlangsamung ist möglich. Beide Szenarios hängen unter anderem von den politischen Reformen und Ereignissen im Vorfeld der US-Wahlen ab. Das gilt auch für eine potentiell straffere Finanzpolitik in Form von geringeren Staatsausgaben in den USA. Je nach Wahlausgang kann sich der zukünftige außenpolitische Ton und der Fokus auf die amerikanische Binnenkonjunktur verschärfen.

Auf Jahressicht könnte sich das globale Gewinnwachstum der Unternehmen insgesamt wieder etwas beschleunigen. Zwar hat der europäische Aktienmarkt bereits im vierten Quartal 2023 von dem ausgeprägten Zinssenkungsoptimismus profitiert, dennoch kann sich im zweiten Halbjahr 2024 neues Kurspotential durch eine mögliche Konjunkturaufhellung und Zinssenkungsphantasie ergeben. Die Bewertungen europäischer Aktien sind historisch und auch im Vergleich zum US-amerikanischen Markt betrachtet, als attraktiv einschätzbar. Also europäische Versicherungen, das Gesundheitswesen und zyklische Branchen wie Chemie, Maschinenbau und Automotive.

Ebenso der Sportartikelsektor könnte von den sportlichen Großereignisse wie den Olympischen Spielen und der Fußball-EM wieder verstärkt profitieren. Von der bereits erwähnten US-Wahl könnte ein besonderer Paradigmenwechsel ausgehen, der ab November die binnenmarktorientierten US-Unternehmen stärker hervorheben würde. Je nach Wahlausgang kann der politische „America First“-Ansatz entsprechende wirtschaftliche Folgen haben.
Das Handelsjahr 2024 verspricht also auch wieder interessant und ereignisreich zu werden.

 

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1 „Higher for longer“ bedeutet, dass die Leitzinsen der Notenbank in den USA für einen längeren Zeitraum auf dem Zinsniveau von über 4,5 bis 5,00 % bleiben werden, um den potentiellen Inflationsentwicklungen vorbeugen zu können.

 

2 Bei einem Sentiment handelt es sich um die Stimmung der Marktteilnehmer. Ein positives Sentiment ist risikofreudiger und neigt zu Investitionen in Risikopapieren wie Aktien, wo hingegen ein negatives Sentiment eher risikoavers agiert und Anleihen bzw. Bargeld bevorzugt.