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ROUNDUP/'Todesurteil für die Tories': Rechtspopulist Farage gegen Sunak
Di, 04.06.24 16:18· Quelle: dpa-AFX
LONDON (dpa-AFX) - Der Einstieg des Rechtspopulisten Nigel Farage in den britischen Wahlkampf verpasst den verbliebenen Hoffnungen von Premierminister Rishi Sunak auf eine Wiederwahl einen heftigen Dämpfer. Farage trieb einst Sunaks Konservative mit rechten Parolen in das Brexit-Referendum. Doch nun ist die Lage für die Tory-Partei ungleich kritischer.
Farage lässt keine Zweifel daran, dass er die Konservativen überflüssig machen will - auf einem Weg zu einer Spaltung der britischen Politik nach dem Vorbild der USA. "Zeit für eine politische Revolution", lautet sein Motto.
Die Tories stehen vor der Wahl am 4. Juli ohnehin enorm unter Druck, Umfragen zeigen rund 20 Punkte Rückstand auf die sozialdemokratische Labour-Partei. Farages Partei Reform UK setzt der Regierungspartei zudem von Rechtsaußen zu. Mit Farage als neuem Parteichef - er übernahm am Montag vom Unternehmer Richard Tice - und Kandidaten im ostenglischen Brexit-Hotspot Clacton-on-Sea aber hat Reform nach Ansicht von Kommentatoren noch mehr Gewicht. Auf 11 Prozent wurden die Rechtspopulisten in Umfragen taxiert. Mit Farage sind es 17 Prozent. Dass er noch vor wenigen Wochen betonte, er werde keinesfalls kandidieren? Geschenkt.
"Rishi Sunaks schlimmster Alptraum"
Für die Tories sei der Brexit-Antreiber eine existenzielle Bedrohung, schrieb die Zeitung "Telegraph", die Farages Kandidatur in mehreren Texten bejubelte. Das Tory-nahe Boulevardblatt "The Sun" fragte zu einem Foto eines breit lachenden Farage: "Der Tag, an dem die Tories starben?" Der Umfrageexperte James Johnson, einst Berater von Premierministerin Theresa May, betonte in der Zeitschrift "Spectator": "Farages Rückkehr ist Rishi Sunaks schlimmster Alptraum." Und in der "Sun" kommentierte Johnson, Farage könne das Todesurteil für die Konservativen im Wahlkampf bedeuten.
Im Angesicht schlechter Umfragewerte rücken die Tories bereits seit längerem immer weiter nach rechts. Am Dienstag kündigte die Partei an, im - unwahrscheinlichen - Falle eines Wahlsiegs eine jährliche Obergrenze für Migrantinnen und Migranten einzuführen. Eine Zahl nennen sie bisher nicht. Einige Kommentatoren wiesen darauf hin, dass es wenig nutze, rechten Parteien die Themen streitig zu machen. Wähler würden lieber gleich für das Original stimmen.
Einwanderung ist Farages Lieblingsthema. Die EU-Freizügigkeit zu beenden, war einer seiner Hauptgründe für den Brexit. Doch seitdem ist die Nettomigration deutlich gestiegen. Für Farage ist das ein Vertrauensbruch der Konservativen. "Sie haben die Grenzen für eine Masseneinwanderung geöffnet, wie wir sie noch nie erlebt haben", ruft er bei seinem Wahlkampfauftakt in Clacton der Menge zu. "Und dafür müssen sie einen hohen Preis zahlen." Für Zwischentöne und Nuancen ist bei ihm wie oft kein Platz.
"Wir lieben Dich, Nigel"
Es ist die Bühne, wie sie sich Farage wünscht. Hunderte drängen sich an der Promenade des Nordseestädtchens, als der 60-Jährige loslegt. Vor einem Riesenrad, Grimassen ziehend und später mit einem Glas Bier in der Hand: Gerne gibt sich Farage laut, jovial und britisch-schrullig, seine Sprüche sind oft provokant. Da ähnelt Farage durchaus dem Ex-Premier Boris Johnson. "Schickt mich ins Parlament, damit ich dort ein verdammter Störenfried sein kann", ruft Farage der johlenden Menge zu. "Hol sie Dir, Nigel" und "Wir lieben Dich", schreien Menschen zurück. In Clacton holte die rechtspopulistische UK Independence Party (Ukip) 2014 ihr einziges Mandat. Parteichef damals: Nigel Farage.
"Nigel ist ein effektiver und charismatischer Wahlkämpfer und stellt offensichtlich eine Herausforderung für die Konservativen dar", sagt der konservative Ex-Wirtschaftsminister Jacob Rees-Mogg. Tory-Abgeordnete befürchten, dass Farage und Reform UK den Konservativen in Dutzenden Wahlkreisen die Stimmen abjagen könnten - und damit Labour zum lachenden Dritten machen. Das britische Mehrheitswahlrecht sieht vor, dass lediglich die Kandidatin oder der Kandidat mit den meisten Stimmen das Parlamentsmandat gewinnt.
Farage will Reform zur "wahren Opposition" machen
Das dürfte zwar dazu führen, dass Reform kaum einen Sitz im Unterhaus gewinnt. Außer Farage in Clacton wird höchstens Lee Anderson, vor wenigen Monaten von den Konservativen übergelaufen und derzeit Reforms einziger Parlamentsabgeordneter, ein Erfolg zugetraut. Aber aktuelle Daten, die das Meinungsforschungsinstitut Yougov ausgewertet hat, prognostizieren vor allem den Konservativen eine historische Niederlage. Das würde Farage in die Karten spielen. Sein Ziel ist klar: Reform zur "wahren Opposition" zu machen - und nach den nächsten Wahlen 2029 zur größten Partei im Parlament./bvi/DP/men
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