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ROUNDUP: Palästina-Anerkennung mit 'Grenzen von 1967' lässt Streit eskalieren
Di, 28.05.24 16:20· Quelle: dpa-AFX
MADRID/TEL AVIV (dpa-AFX) - Wenn es nach Spanien, Irland und Norwegen geht, soll die Uhr zur Lösung des Nahostkonflikts gleich um 57 Jahre zurückgedreht werden. In den drei Ländern trat am Dienstag die vor einer Woche mitten im Gaza-Krieg angekündigte Anerkennung eines Staates Palästina in Kraft. Und zwar auf Grundlage der Grenzen vor dem Sechstagekrieg von 1967. Der Vollzug der umstrittenen Maßnahme ließ die Empörung in Israel noch mal hochkochen. Im hitzigen diplomatischen Konflikt ist die linke Regierung in Madrid das Hauptziel der israelischen Verbalattacken.
Ministerpräsident Pedro Sánchez reagierte auf neue Vorwürfe aus Israel zunächst nicht. Kurz vor der Billigung der Anerkennung durch seinen Ministerrat in Madrid betonte er, die Anerkennung eines Palästina-Staates sei gegen niemand gerichtet - "schon gar nicht gegen Israel, ein befreundetes Volk, das wir respektieren, das wir schätzen und mit dem wir die bestmöglichen Beziehungen haben wollen". Mit der "historischen Entscheidung habe man ein einziges Ziel: Den Israelis und Palästinensern zum Frieden zu verhelfen".
Sánchez erklärte aber im Detail, wie man sich den Staat Palästina vorstellt. Er müsse "in erster Linie lebensfähig sein. Das Westjordanland und der Gazastreifen müssen durch einen Korridor verbunden sein, mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt und vereinigt unter der rechtmäßigen Regierung der Palästinensischen Autonomiebehörde". "Im Einklang mit den Resolutionen des UN-Sicherheitsrats und mit der traditionellen Position der EU" müsse dieser Staat die Grenzen von 1967 vor dem Sechstagekrieg haben.
In Irland sprach Regierungschef Simon Harris von einem wichtigen Schritt. "Es geht um die Überzeugung, dass eine Zweistaatenlösung der einzige Weg für Israel und Palästina ist, in Frieden und Sicherheit Seite an Seite zu leben", sagte er am Dienstag dem Sender RTÉ. Die Anerkennung sende ein Signal an die Welt, dass man praktische Schritte unternehmen könne, um die Hoffnung und das Ziel einer Zweistaatenlösung zu erhalten in einer Zeit, in der andere versuchten, sie in die Vergessenheit zu bomben.
Europa könne und müsse deutlich mehr tun, um Tragödien wie den verheerenden Angriff von Sonntagnacht auf ein Zeltlager mit geflüchteten Zivilisten im Gazastreifen zu verhindern, forderte Harris. Es zeichne sich eine neue verabscheuungswürdige Entwicklung ab - dass etwas Grauenhaftes passiere und Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sage, es handle sich um einen tragischen Fehler, kritisierte er.
Norwegens Außenminister Espen Barth Eide sprach von einem "Meilenstein in den Beziehungen zwischen Norwegen und Palästina". Er sei zuversichtlich, dass die palästinensische Regierung nach einem Waffenstillstand die Grundlagen für eine Regierung sowohl im Westjordanland als auch im Gazastreifen schaffen werde. Auch er stellte Israels Regierung an den Pranger. Es sei bedauerlich, dass sie "keine Anzeichen für ein konstruktives Engagement" zeige. Die internationale Gemeinschaft müsse ihre politische und wirtschaftliche Unterstützung für Palästina verstärken und weiter auf eine Zweistaatenlösung hinarbeiten.
Die Regierung in Jerusalem hatte schon vorige Woche unmittelbar nach der Ankündigung die Botschafter der drei Länder einbestellt, um ihnen eine Rüge zu erteilen. Netanjahu bezeichnete die Anerkennung Palästinas als "Belohnung für Terrorismus". Vor allem der Streit mit Spanien spitzt sich täglich zu. Die linke Regierung in Madrid hatte bereits kurz nach dem Angriff der islamistischen Hamas auf Israel und dem Beginn der Militäraktionen in Gaza alle Waffenexporte nach Israel ausgesetzt. Verteidigungsministerin Margarita Robles sprach nun als erste Regierungsangehörige sogar von einem "Völkermord" in Gaza. Israel bestreitet diesen Vorwurf vehement.
Israel schränkte inzwischen die Arbeit spanischer Diplomaten in dem Land ein. Der spanischen Botschaft in Tel Aviv und dem Generalkonsulat in Ost-Jerusalem ist es künftig untersagt, ihre Dienste für Palästinenser aus dem von Israel besetzten Westjordanland anzubieten. Auf X veröffentlichte Außenminister Israel Katz mehrere extrem kritische, teilweise provokante Äußerungen und Videos gegen Spanien.
Am Dienstag legte Katz eine Schippe drauf: Er schrieb bei X: "Wenn Sie Ihre Stellvertreterin (Yolanda Díaz) nicht entlassen und die Anerkennung eines palästinensischen Staates erklären - sind Sie an der Aufwiegelung zum Mord am jüdischen Volk und zu Kriegsverbrechen beteiligt." In einem Video hatte Díaz gesagt: "Palästina wird frei sein vom Fluss bis zum Meer." Mit dem Satz ist gemeint, es solle ein freies Palästina geben auf einem Gebiet vom Fluss Jordan bis zum Mittelmeer - dort, wo sich jetzt Israel befindet. Aus israelischer Sicht ist es ein Aufruf zur Vertreibung oder Tötung der Juden im Staat Israel.
Netanjahu wie auch die Terrororganisation Hamas, die Israels Existenzrecht verneint, lehnen eine Zweistaatenlösung ab. Rechtsextreme Mitglieder von Netanjahus Regierung streben sogar eine israelische Wiederbesiedlung des Gazastreifens an. Eine Mehrheit der Israelis ist laut unterschiedlichen Meinungsumfragen gegen die Einrichtung eines unabhängigen palästinensischen Staates. Viele lehnen dies mit der Begründung ab, es sei eine "Belohnung" für das Massaker der Hamas im israelischen Grenzgebiet am 7. Oktober.
Eine Umfrage des palästinensischen Umfrageinstituts PSR in Zusammenarbeit mit der Konrad-Adenauer-Stiftung ergab kürzlich, dass 61 Prozent der Palästinenser aufgrund des israelischen Siedlungsbaus nicht mehr daran glauben, dass die Einrichtung eines palästinensischen Staates noch möglich ist. Eine Mehrheit setzt weiter auf den bewaffneten Kampf als bestes Mittel, um die israelische Besatzung zu beenden.
Etliche Länder erkennen Palästina als Staat an. Das gilt jedoch nicht für die einflussreichsten westlichen Nationen wie die USA und Großbritannien sowie die Mehrzahl der EU-Staaten. Auch Deutschland plant nach Angaben von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) derzeit nicht, Palästina als eigenen Staat anzuerkennen. Es gebe keine Klarheit über das Staatsgebiet und andere Fragen, sagte er. Dazu hatte Sánchez schon vorige Woche die Hoffnung ausgedrückt, dass "viele Länder" dem Beispiel von Madrid, Oslo und Dublin folgen werden./er/DP/stw
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