Branche im Aufwind: Biotech-Boom in Deutschland
Die Corona-Pandemie hat große Auswirkungen auf die Weltwirtschaft. Eine Branche stand plötzlich im Rampenlicht: Biotech-Unternehmen erwiesen sich während der Krise als innovativ und handlungsschnell, insbesondere die deutschen. In kürzester Zeit brachten sie Tests und Impfstoffe an den Markt – der Startschuss für einen neuen Star der deutschen Wirtschaft?
Rund 3 Milliarden Euro Risikokapital erhielten deutsche Biotech-Unternehmen im Jahr 2020 von Investoren – zu Beginn der Corona-Pandemie. Im vergangenen Jahr waren es rund 700 Millionen Euro weniger. Dennoch war es historisch die zweithöchste Summe, die deutsche Biotech-Firmen bei Investorenrunden eingesammelt haben. Die Zukunft der Branche scheint rosig, Start-ups wittern ihre Chance. Das ruft auch Investoren auf den Plan. Vor allem Anleger, die erst im Zuge der Corona-Pandemie auf die Potenziale der Branche aufmerksam wurden, sollten den Wirtschaftszweig vor einem Investment genauer unter die Lupe nehmen.
Pioniere und Senkrechtstarter
Die Biotechnologie umfasst unzählige Anwendungsgebiete: Auf ihrer Basis werden beispielsweise neue Pflanzengattungen gezüchtet oder Medikamente entwickelt. Auch die Kosmetikbranche profitiert von den Erkenntnissen der Forschung, die es möglich machen, Produkte effizienter herzustellen. Dabei unterteilen Experten die Biotechnologie in 3 Hauptkategorien: Landwirtschaft (Grün), Industrie (Weiß) und Medizin (Rot). Und in allen 3 Bereichen könnte die Biotechnologie in Zukunft weiter wachsen. Erst zu Beginn des vergangenen Monats hat das Max-Planck-Institut das komplexe Genom der Kartoffel entschlüsselt. Das Institut zur Grundlagenforschung hat damit die Basis geschaffen, resistentere Sorten zu züchten, die eine wichtige Rolle im Kampf gegen den Welthunger spielen könnten. Das Beispiel ist nur eines von vielen: Das Berliner Start-up T-knife hat vielversprechende Ergebnisse in der Tumorforschung zu verzeichnen und sammelte 110 Millionen Euro von Investoren ein.
Weichen stellen
Experten sagen der Biotechnologie-Branche ein Boom vorher. Doch Insider sind angesichts der Rahmenbedingungen in Deutschland nur vorsichtig optimistisch. Sie erhoffen sich von deutschen Investoren mehr Risikolust – und Ausdauer. Vor allem im medizinischen Bereich der Biotechnologie wirken jahrelange Entwicklungsprozesse und klinische Studien abschreckend. Oftmals stünden sich die vielversprechenden Start-ups und Unternehmen auch selbst im Weg: So sind die technologische Basis sowie die Forschung mehr als vielversprechend, jedoch fehlt in Biotech-Unternehmen oft die wirtschaftliche Expertise.
Der Wind in der Branche könnte sich gedreht haben. Während früher vielversprechende Nachwuchskräfte oft ins Ausland abgewandert sind, gelingt es den Unternehmen nun vermehrt, Talente zu halten sowie aus dem Ausland anzuwerben. Mehr noch: Die Unternehmen sind im Ausland begehrt wie lange nicht mehr. Und die Firmen scheinen dem Lockruf zu folgen: In den vergangenen 10 Jahren gingen 13 deutsche Biotech-Firmen in den USA an die Börse. In Deutschland sehen Experten vor allem die Politik in der Pflicht. Sie muss die Weichen stellen, um den Standort zu stärken. Die Chancen, wieder die „Apotheke der Welt“ zu werden – wie die Bundesrepublik zu Beginn des 20. Jahrhunderts genannt wurde – sind groß wie lange nicht mehr.